ELEC: EU-Binnenmarkt vollenden statt Festung Österreich
Österreich verdankt als kleine offene Volkswirtschaft einen guten Teil seines Wohlstandes der internationalen Arbeitsteilung, Exporten und Importen. Insbesondere der von der FPÖ immer wieder ins Spiel gebrachte Austritt aus der EU – Stichwort „Öxit“ – wäre ein Desaster, da die Vorteile des Binnenmarktes und des Euro verloren gingen, betont Franz Nauschnigg, Generalsekretär des EBÖ-Mitglieds Europäische Liga für wirtschaftliche Zusammenarbeit (ELEC) in einem aktuellen Kommentar. Für mehr Wachstum und Beschäftigung sei eine Vertiefung des Binnenmarktes, insbesondere der Kapitalmarktunion, notwendig.
Franz Nauschnigg (War Abteilungsleiter in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen. In 1980er Jahren in Kabinetten im Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium, 1987 – 2019 in OeNB und in 1990er Jahren wirtschaftspolitischer Berater der Finanzminister Staribacher, Klima, Edlinger. In den 1990er Jahren im Aufsichtsrat der GBI (Pleiteholding des Bundes) und der Wiener Börse. Mitglied des Boards der „European Task Force on Carbon Pricing”, Generalsekretär ELEC-Österreich Vizrpräsident ELEC-Europa.)
EU-Binnenmarkt vollenden statt Festung Österreich
Die von Kickel und der FPÖ propagierte Festung Österreich wäre für Österreich wirtschaftlich extrem negativ. Österreich als kleine offene Volkswirtschaft verdankt einen guten Teil seines Wohlstandes der
internationalen Arbeitsteilung, Exporten und Importen. Insbesondere der von der FPÖ immer wieder ins Spiel gebrachte Austritt aus der EU – Öxit – wäre ein Desaster, da die Vorteile des Binnenmarktes und des Euro verloren gingen.
Die Festung Österreich würde wesentlich teurer werden als Haiders Desaster mit der Hype Alpe Adria. Als die FMA zuerst warnte und als das nichts fruchtete, den Hypo Generaldirektor wegen zu riskanter
Geschäfte absetzte, polemisierte Haider gegen die FMA. Der Generaldirektor wurde von Haider als Aufsichtsratsvorsitzender installiert und die riskanten Geschäfte gingen munter weiter. Als Haider dann die Hypo an die Bayern verkaufte, gab er ihnen eine Garantie des Landes Kärnten über 25 Mrd. Euro, dies bei einem Kärntner Budget von rund 2 Mrd. Euro im Jahr. Die Bayern führten daher die riskanten Geschäfte weiter, wenn es gut ging, würden sie die Gewinne kassieren, wenn es schlecht ging, was dann auch eintrat, hatten sie ja 25 Mrd. Euro Haftung des Landes Kärnten. Das Haftungsentgelt verwendete Haider für Wahlzuckerln, das waren wahrscheinlich die teuersten die es jemals gab.
Für das Hypo Desaster wird Kärnten noch Jahrzehnte Schulden zurückzahlen.
Ich warnte schon 1992 vor der wirtschaftspolitischen Inkompetenz Haiders und deren negativen Folgen „Fachliche Inkompetenz in einem derart sensiblen Bereich kann allerdings zu fatalen Konsequenzen
führen. Es ist zu hoffen, daß Dr. Haider kein wirtschaftspolitisch wichtiges Regierungsamt erlangt. Dann könnten nämlich derart unqualifizierte, unbedachte und stabilitätsgefährdende Stellungnahmen eine Gefahr für Österreich darstellen.“ Artikel von mir in WirtschaftsWoche 29. Oktober
1992 – Haider wäre erledigt – Nationalbank verwirft die währungspolitischen Vorschläge des FPÖ-Chefs.
In einer Nationalbank (OeNB) Studie aus 2024 – 25 years of EMU in Austria -werden die Ergebnisse zahlreicher Studien zusammengefasst, die einen beträchtlichen Wachstumsimpuls für Österreich durch die EU Mitgliedschaft (kumuliertes BIP bis zu +28,6 %) zeigen, der zu einem bleibend höheren Niveau des BIP führt. Wachstumseffekte durch die Einführung des Euro alleine, werden im Vergleich zu anderen EU- Integrationsschritten als schwächer, aber in einigen Studien dennoch signifikant eingeschätzt: Hier liegen die für die österreichische Wirtschaft berechneten Wachstumseffekte (kumuliertes BIP-Wachstum) zwischen 0,7 % und 9,3 %.
Kickels Festung Österreich könnte daher unseren Wohlstand um bis zu 30 % verringern, weil die positiven Effekte der EU-Mitgliedschaft verloren gingen. Damit würde der Kickl Schaden weit über dem Haider Schaden liegen.
Historische Beispiele zeigen, dass die Integration sich wirtschaftlich positiv auswirkt, die Abschottung, bzw. die Steigerung dieser in eine Festung wirtschaftlich äußerst negativ ist:
Österreich 1. Republik
Sie entstand aus dem integrierten Raum der Österreich-Ungarischen Monarchie nach dem 1. Weltkrieg. Erst 1924 vollständige Trennung der Währungsunion. Heuer 100 Jahre Jubiläum der Trennung der
Notenbanken aus gemeinsamer Österreich-Ungarischer Bank und Einführung des Schilling. Haben im Juni 2024 Treffen mit Ungarischer Notenbank als Erinnerung an diese Trennung.
Die Monarchie war Währungs-, Banken- und Kapitalmarktunion, aber keine Fiskalunion. Die Auflösung dieser Unionen führte zu einer desaströsen Wirtschaftsentwicklung – Hyperinflation, Handelskriegen,
Massenarbeitslosigkeit, Bankenkrisen welche die Depression ab 1929 verstärkte. Österreich wurde von einem der reichsten Länder Europas in der Monarchie zu einem der ärmsten. Die wirtschaftliche Misere
ermöglichte den Aufstieg des Faschismus und führte auch zu einem Bürgerkrieg in Österreich.
Festung Albanien
Ich nahm Mitte der 1980er Jahre an Handelsverhandlungen in Albanien teil. Damals eine Kommunistische Diktatur, die das Land in eine Festung verwandelt hatte, mit Bunkern überall im Land. Als Folge dieser Festung war Albanien das ärmste Land Europas. Dies weil es die Vorteile der
Arbeitsteilung, die nach Adam Smith die Grundlage für den Wohlstand der Nationen ist, nicht nutzen konnte. Die Traktoren sahen aus wie eine Mischung aus Traktor und Panzer. Wie man mir damals erklärte, habe man leider nur eine Fabrik für beide Produkte, daher ergäbe sich diese
Mischung, die nicht gerade effizient war.
Die internationalen Arbeitsteilung ist gerade für kleine Länder mit kleinen Binnenmärkten, wie Österreich, essentiell. Eine Abschottung hat äußerst negative wirtschaftlich Auswirkungen.
Schweiz Anfang der 1990er Jahre EWR Nein.
Nach dem EWR Nein in einer Volksabstimmung 1992 jahrelange Stagnation, ohne Wachstum. Bis mit dem Abschluss der bilateralen Abkommen mit der EU, ab Mitte der 1990er Jahre, die weitgehenden
Zugang zum EU-Binnenmarkt gewähren, das Wachstum zurückkehrte. Schweiz zahlt für diesen Zugang in das EU-Budget ein. Die Schweiz ist daher, obwohl nicht in EU und EWR, genau wie Österreich Nettozahler. Mit dem Unterschied das Österreich die EU-Regelungen mitbestimmt (decision making im Rat und EU-Parlament), während die Schweiz diese nur nachvollzieht (nur decision shaping durch Teilnahme an Expertengruppen).
Brexit
hohe wirtschaftliche Verluste für Großbritannien 5 – 10 % des BIP bisher, insbesondere durch hohe Grenzkosten. Etwa 60 % der Briten geben in Umfragen an das der Brexit ein Fehler war. Siehe Economist, Why most people regret Brexit, A majority of British voters now believe the split was
a mistake.
Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) verweist als Reaktion auf Äußerungen der AFD zu einem deutschen EU-Austritt (Dexit) auf die negativen wirtschaftlichen Folgen eines „Dexits“. Bei einem Austritt aus der EU und der Euro-Zone könnte Deutschland „rund zehn Prozent seiner Wirtschaftsleistung verlieren“, erklärte jüngst der Leiter des Berliner Büros des IW, Knut Bergmann.
Öxit wäre dramatischer, da der österreichische Markt, 9 Millionen Konsumenten, wesentlich kleiner ist als der Britische, über 60 Millionen Konsumenten, oder Deutsche, 80 Millionen Konsumenten, ist.
EU-Binnenmarkt vollenden
Statt Öxit Phantasien und Festung Illusionen brauchen wir jetzt Fortschritte bei der Vollendung des EU-Binnenmarktes. Wir haben jetzt wieder Lage wie in den 1980er Jahren als die EU gegenüber ihren Rivalen, damals USA-Japan, heute eher USA-China zurückfällt. Europa steckt wie schon in den 1980er Jahren in einer Eurosklerose und fällt gegenüber seinen Geopolitischen Rivalen, insbesondere USA und China zurück. In den 1980er Jahren konnte Kommissionspräsident Jacques Delors mit seinem
Binnenmarktprogramm die EU wieder auf Wachstumskurs bringen.
Der Binnenmarkt ist jedoch noch immer nicht vollendet. Insbesondere fehlen die Banken-, die Kapitalmarkt-, die Verkehrs- besonders im Eisenbahnbereich und die Energieunion.
Der frühere Italienische Premierminister Letta hat gerade in einem Bericht für die EU-Kommission für eine Stärkung des Binnenmarktes argumentiert und die Staats- und Regierungschefs haben bei ihrer
Sitzung im April 2024 die Vorschläge begrüßt. Nicht nur die Finanzmärkte sollen integriert werden, wie dies die Finanzminister seit Jahren versuchen, sondern auch jene für Energie und Telekommunikation. Es soll ein einheitliches EU-System für staatliche Beihilfen geben, das über die derzeitige Kontrolle der Kommission hinausgeht. Auch das seit Langem vor allem am Widerstand
Deutschlands scheiternde einheitliche System der Einlagensicherung und damit die Bankenunion soll vollendet werden. Auch der Regional Economic Outlook des IWF vom April 2024 argumentiert für eine Vertiefung des Binnenmarktes um das Wachstum in der EU zu erhöhen. Wachstumsförderung sollte ein wichtiges Ziel der neuen EU-Kommission sein. Eine Reduktion der Barrieren im Binnenmarkt um 10 % würde nach dem IWF, langfristig die EU- Einkommen um 7 % erhöhen.
EU-Kapitalmarktunion vollenden
Besonders dringend wäre die Vollendung der EU-Kapitalmarktunion. Durch sie würde mehr Risikokapital zur Verfügung gestellt und Wachstum und Beschäftigung angekurbelt und die Grüne und der
Digitale Transformation könnte leichter finanziert werden.
Ich arbeitete in einer ELEC-Arbeitsgruppe, die eine Studie warum und wie die EU-Kapitalmarktunion vollendet werden soll, – Why EU Capital Markets Union has become a “must have” and how to get there- mit. Viele (EZB, Eurogruppe, Letta in Studie für EU-Kommission, Europäischer Rat in April Treffen) fordern die Vollendung der EU-Kapitalmarktunion. Die Fortschritte bisher sind jedoch bescheiden. In der ELEC-Studie zeigen wir warum und wie konkret die Kapitalmarktunion vorangebracht werden kann. Die Kapitalgeber sollen es leichter haben, in Europa über Grenzen hinweg zu investieren. Es geht darum, Steuern zu harmonisieren und Insolvenzregeln zu vereinheitlichen. Wird ein Unternehmen zahlungsunfähig, haben Investoren von EU-Land zu EU- Land unterschiedliche Ansprüche. Das schreckt viele ab. Außerdem sollen es Europas Banken leichter haben, ihre Kredite an Mittelständler
in Finanzprodukte zu bündeln, um diese an den Börsen zu verkaufen, die sogenannte Verbriefung.
Insgesamt würde dadurch mehr Risikokapital für die Digitale und Grüne Transformation in der EU mobilisiert und durch diese höheren Investitionen auch Wachstum und Beschäftigung gefördert.