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ÖGfE | 30 Jahre EU-Binnenmarkt – Keine Liebesbeziehung, aber Vorteile des gemeinsamen Marktes werden geschätzt

7 von 10 halten freien Personen- und Warenverkehr für wichtig | 3 von 4 sagen: Großunternehmen und Konsument:innen profitieren besonders – Umfrage

„Verlieben kann man sich in einen gemeinsamen Markt nicht – wie es der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors treffend formulierte – dennoch ist dieser enorm wichtig. Am 1. Jänner 2023 wird der europäische Binnenmarkt dreißig Jahre alt. Der Mehrwert des Binnenmarkts, dessen Grundlage der freie Verkehr von Personen, Kapital, Waren und Dienstleistungen für rund 450 Millionen Europäerinnen und Europäer ist, wird auch hierzulande sehr geschätzt,“ sagt Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), vor dem Hintergrund der aktuellen Umfrage der ÖGfE, die in der Zeit von 5. bis 7. Dezember 2022 online unter 1000 Befragten österreichweit durchgeführt wurde.

Sieben von zehn Befragten halten in der Umfrage die Personenfreizügigkeit, die es Bürger:innen der EU ermöglicht, in einem anderen Mitgliedstaat zu wohnen und zu arbeiten, für „sehr wichtig“ (34 Prozent) bzw. „eher wichtig“ (36 Prozent). Ein knappes Viertel sagt hingegen, dass diese „eher nicht wichtig“ (14 Prozent) oder „gar nicht wichtig“ (9 Prozent) sei. 7 Prozent geben keine Stellungnahme ab.

In ebenso hohem Ausmaß – konkret von 69 Prozent – wird von den Befragten in Österreich der freie Warenverkehr als Errungenschaft betrachtet: 37 Prozent bezeichnen die freie Zirkulation von Waren im Binnenmarkt als „sehr wichtig“, 32 Prozent als „eher wichtig“. Etwa ein Viertel stimmt dem nicht zu und schätzt dies als „eher nicht wichtig“ (16 Prozent) bzw. „gar nicht wichtig“ (8 Prozent) ein. Ebenfalls 8 Prozent können diese Frage nicht beurteilen.

Rund zwei Drittel sehen im freien Dienstleistungsverkehr eine „sehr wichtige“ (31 Prozent) bzw. „eher wichtige“ (36 Prozent) Möglichkeit, die sich EU-Bürger:innen durch den Binnenmarkt bietet. Wiederum ist es ein knappes Viertel, das sich skeptischer zeigt und das freie Angebot von Dienstleistungen im Binnenmarkt als „eher nicht wichtig“ (16 Prozent) bzw. „gar nicht wichtig“ (8 Prozent) beurteilt. 8 Prozent machen hierzu keine Angabe.

Knapp sechs von zehn Befragten erachten den freien Kapitalverkehr als „sehr wichtig“ (24 Prozent) bzw. „eher wichtig“ (34 Prozent). Drei von zehn nehmen eine Gegenposition ein („eher nicht wichtig“: 22 Prozent | „gar nicht wichtig“: 9 Prozent). Ein Zehntel äußert sich nicht dazu.

„Für eine kleine und exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich ist die Teilnahme am EU-Binnenmarkt essenziell. Der Wegfall von Grenzkontrollen, Zöllen oder Kontingentierungen ermöglicht den größten einheitlichen Markt der Welt, der auch die globale Rolle Europas stärkt. Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von größerer Produktauswahl und günstigeren Preisen, die freie Wahl von Wohnsitz und Arbeitsort fördert die innereuropäische Mobilität und bringt neue Möglichkeiten und Chancen – vor allem auch für die junge Generation.“

Nach Ansicht der Menschen in Österreich hat sich der europäische Binnenmarkt bisher vor allem für heimische Großunternehmen bezahlt gemacht. Insgesamt 77 Prozent sehen für diese „große“ (58 Prozent) bzw. „geringe Vorteile“ (19 Prozent) durch die Teilnahme unseres Landes am Binnenmarkt. Etwa ein Zehntel meint, dass große Unternehmen dadurch „geringe Nachteile“ (8 Prozent) oder „große Nachteile“ (3 Prozent) erfahren hätten. 11 Prozent können zu dieser Frage nicht Stellung beziehen. Das aktuelle Meinungsbild unterscheidet sich hiermit kaum von jenem, das die ÖGfE im Herbst 2012 zum zwanzigjährigen Bestehen des Binnenmarkts erhoben hat.

Fast drei Viertel der Befragten sagen auch, dass Konsument:innen in Österreichvom EU-Binnenmarkt profitiert haben („große Vorteile“: 34 Prozent | „geringe Vorteile“: 39 Prozent). 17 Prozent sind hingegen der Ansicht, dass sich durch den europäischen Binnenmarkt „geringe“ (11 Prozent) oder „große Nachteile“ (6 Prozent) für die Konsument:innen ergeben haben. Die Bilanz fällt damit deutlich positiver aus, als dies noch vor zehn Jahren der Fall war: So ist die Zahl jener, die Vorteile erkennen, um 14 Prozent gestiegen. Die Zahl jener, die die Nachteile überwiegen sehen, ist um 15 Prozentpunkte gesunken.

Knapp sechs von zehn Befragten erkennen für heimische Arbeitskräfte „große“ (24 Prozent) bzw. „geringe Vorteile“ (35 Prozent) durch die Teilnahme unseres Landes am EU-Binnenmarkt. Drei von zehn können dem nicht zustimmen und sehen dies mit „geringen“ (18 Prozent) bzw. „großen Nachteilen“ (13 Prozent) für Arbeitskräfte in Österreich verbunden. Ein Zehntel macht dazu keine Angabe. Im Zehnjahresvergleich wird deutlich positiver bilanziert: Die Zahl jener, die Vorteile sieht, ist um 12 Prozentpunkte gestiegen, die Zahl jener, die Nachteile erkennt, ist um 9 Prozentpunkte zurückgegangen.

Insgesamt 57 Prozent sind der Ansicht, dass heimische Klein- und Mittelbetriebedurch den EU-Binnenmarkt profitiert hätten – 19 Prozent sehen für sie „große Vorteile“, 38 Prozent „geringe“. 31 Prozent stimmen dem nicht zu und sagen, dass österreichische KMUs durch die Teilnahme am Binnenmarkt „geringe“ (17 Prozent) bzw. „große Nachteile“ (14 Prozent) erfahren mussten. 12 Prozent äußern sich nicht dazu. Im Vergleich zum Jahr 2012 ist die Zahl jener, die Vorteile für heimische KMUs erkennen, um 9 Prozentpunkte gestiegen, die Zahl jener, die die Binnenmarktteilnahme als nachteilig empfinden, ist um 11 Prozentpunkte gesunken.

„Gerade in unsicheren Zeiten ist der gemeinsame Wirtschaftsraum ein Beleg dafür, was die EU zu leisten vermag, wenn sich die Mitgliedstaaten einig zeigen. Ein stabiles Fundament, dessen Mehrwert im Alltag greifbar ist und das weiter ausgebaut und vervollständigt werden sollte. Neben der strategischen Unabhängigkeit und grünen Transformation in Europa beinhaltet dies insbesondere auch steuerliche Fairness, eine Stärkung der Sozialsysteme und die Intensivierung des sozialen Dialogs“, so Schmidt abschließend.