WKÖ | WKÖ-Wirschaftssymposium 12 Minutes Europe: Europäische Wettbewerbsfähigkeit muss dringend gestärkt werden.
WKÖ lud zu Wirtschaftssymposium mit renommierten Expert:innen aus Wirtschaft und Politik – Wettbewerbsfähigkeit Europas im Fokus
„Europa muss ein handlungsfähiger, wettbewerbsfähiger globaler Player sein. Wir wollen, dass die europäische Erfolgsgeschichte fortgesetzt wird, dass unsere Betriebe in und für Europa Motor für Wachstum und Wohlstand sein können. Dafür gibt es aber noch viel zu tun – denn die Wettbewerbsfähigkeit Europas steht unter Druck“, betonte Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, im Zuge des WKÖ-Wirtschaftssymposiums „12 Minutes Europe – Meeting Global Challenges“, zu dem die WKÖ am heutigen Montag geladen hatte.
Hochkarätige internationale und nationale Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien brachten in 12-minütigen Impulsstatements auf den Punkt, wie Europa in Zeiten wachsender Unsicherheiten die Veränderung als Katalysator für wirtschaftliches Wachstum und eine Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit nutzen kann. War Europa im Jahr 1980 noch für 25,86% des kaufkraftbereinigten globalen BIP verantwortlich, sank der Anteil 2022 auf 14,87% – „China und die USA haben uns überholt“, so Mahrer, der klarstellte: „Wenn es uns nicht gelingt, uns im globalen Wettbewerb zu behaupten, drohen der ehemaligen wirtschaftlichen Großmacht Europa mit mehr als 450 Millionen Menschen und 23 Millionen Unternehmen massive Wettbewerbs- und Wohlstandsverluste. Wir dürfen uns nicht auf vergangenen Erfolgen ausruhen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Wettbewerbsfähigkeit ist alternativlos. Darum sind wir heute hier.“
Der WKÖ-Präsident skizzierte wesentliche Hebel, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken: „Erstens, den Binnenmarkt entfesseln – der Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Personen, Kapital und Daten leidet in Europa nach wie vor unter Einschränkungen. Dadurch entgehen der EU bis zu 8,6% an zusätzlichem BIP. Das können und dürfen wir uns nicht länger leisten. Bis 2029 bietet der Binnenmarkt ein Wachstumspotenzial von 713 Milliarden Euro. Die effektive Um- und Durchsetzung bestehender Binnenmarktregeln muss daher Vorrang vor neuen Regeln haben. Zweitens, weniger Bürokratie und Regulierung: Dass die Europäische Kommission einen Wettbewerbsfähigkeits-Check für alle Gesetzesvorhaben plant, ist ein Schritt in die richtige Richtung, den es schon längst gebraucht hätte. Und drittens muss der europäische Kapitalmarkt gestärkt werden.“
Zwtl.: Vernunft und realistische Ziele, statt Beschlüsse am „grünen Tisch“
WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf betonte im Rahmen des Panels „Energiezukunft und Finanzierung“ den Stellenwert von leistbarer Energie für eine wettbewerbsfähigen Standort Europa: „Energiepreise und Versorgung werden zur Gretchenfrage für die europäische Wirtschaft. Wenn wir darauf eine tragfähige Antwort geben wollen, dann geht das nicht ohne neue Ideen, ohne Forschung, Innovation und neue Technologien – in die wir ebenso entsprechend investieren müssen wie in die Produktions- und Verteilungsinfrastruktur. Andere tun das weit mehr als wir, der dritte Platz hinter China und den USA darf uns nicht genug sein.“ Was es zudem brauche, sei mehr Balance zwischen den sozialen, ökologischen und finanziellen Zielsetzungen. „Und es braucht beschleunigende Rahmenbedingungen, unter denen man diese Ziele realistisch erreichen kann“, so der Appell des WKÖ-Generalsekretärs.
„Auch beim Thema Innovation hinkt Europa hinterher – Elektromobiliät wird aus China importiert“, skizzierte Nouriel Roubini, renommierter US-Ökonom und Bestsellerautor, einige der zentralen Problemfelder und Herausforderungen für den Kontinent. Innovation sei ein wesentlicher Hebel, um an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen – Europa müsse gerade in diesem Bereich verstärkt investieren, in die Entwicklung von Hightech-Anlagen“, so der Ökonom in seiner Keynote.
„Europa ist abhängig von Energieimporten, Exporten aus China, Sicherheitstechnologie und von Rohstoffen. In nahezu jeden Sektor sind wir von Fachkräften aus dem Ausland abhängig. Mit einer Vervielfachung der Investitionen in Innovationen, auch in der vorkommerziellen Phase können wir aus diesen Abhängigkeiten herauskommen. Die europäische Mentalität zeugt jedoch von einer obsessiven Risikoscheue, die uns an der Wettbewerbsfähigkeit hindert“, so Karl-Theodor zu Guttenberg, ehem. Bundesminister für Wirtschaft und Technologie sowie für Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland. Dafür brauche es auch eine gezielte Industriepolitik. „Wir brauchen eine andere Mentalität innerhalb Europas, in der wir wegkommen von den lähmenden Einstimmigkeitserfordernissen, damit wir wieder handlungs- und wettbewerbsfähig sind. Wir dürfen uns in Europa nicht als die Getriebenen begreifen. Wir müssen uns als globale Triebfeder sehen gegenüber USA und China. Dafür dürfen wir uns ein europäisches Selbstbewusstsein leisten, aber dafür müssen wir unsere Hausaufgaben machen“, forderte Guttenberg.
„Wir haben in Europa sehr viel erreicht und sollten es nun auch nutzen. Insbesondere in drei Bereichen: Wir Europäer waren die ersten, die innovative grüne Lösungen zum Klimawandel vorgenommen haben. Zweitens hat Europa durch die Digitalisierung die optimale Möglichkeit zur Vernetzung aller Länder geschaffen. Und drittens schaffen wir durch ein spezielles Ausbildungs- und Gesundheitswesen die optimale Vorbereitung für Arbeitskräfte und kreative Innovationen“, betonte Kersti Kaljulaid, ehem. Präsidentin der Republik Estland, einige der großen Stärken des Standortes. Europa müsse sich auf diese Stärken besinnen, sie effektiv nutzen und auch, mehr als bisher, Herausforderungen als Chancen begreifen.